Erstmals ist ein europäischer Staatsangehöriger wegen angeblicher Kartelldelikte von Deutschland an die USA ausgeliefert worden. Dort drohen ihm nun eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren und eine Geldstrafe von bis zu $1 Million.
Wie das Justizministerium der USA in einer Pressemitteilung vom 4. April 2014 mitteilte, wird der italienische Staatsbürger in den USA wegen der Teilnahme an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, der Festsetzung von Preisen und Lieferbedingungen sowie der Aufteilung räumlicher Märkte im sogenannten Marine Hose-Kartell angeklagt. In Deutschland und in den anderen EU-Mitgliedsstaaten liegen bei Preisabsprachen oder Marktaufteilungen zumeist keine mit Haftstrafe bedrohten Straftaten vor, sondern bloße Ordnungswidrigkeiten, die ausschließlich mit Geldbußen geahndet werden können.
Durch die nun erfolgte erstmalige Auslieferung in einer Kartellsache droht persönlich betroffenen Managern zukünftig ganz konkret bei Ermittlungen der US-Kartellbehörden eine Festnahme auch in Deutschland, eine Verbringung in teils mehrmonatige Untersuchungshaft und anschließende Auslieferung in die USA. Das Risiko von Kartellrechtsverstößen für persönlich betroffene Manager hat damit eine neue Qualität erhalten. Dieser Fall verdeutlicht erneut, dass sowohl kartellrechtliche Vorfeldberatung zur Vermeidung von Kartellrechtsverstößen als auch eine sachkundige Beratung im Fall bereits erfolgter Verstöße erforderlich ist, um weitreichende persönliche Folgen für die Verantwortungsträger zu vermeiden.
Der nun ausgelieferte EU-Bürger, ein italienischer Staatsbürger, war Führungskraft eines Unternehmens, das zusammen mit anderen Herstellern von Marine Hoses wie Dunlop, Bridgestone, Trelleborg, Manuli und Yokohama Mitglied eines weltweiten Kartells war. Marine Hoses werden verwendet, um Schiffe mit Rohöl und sonstigen Mineralölerzeugnisse aus Offshore-Einrichtungen zu be- und entladen. Die Mitglieder des Kartells hatten, nach Erkenntnis mehrerer Kartellbehörden, mindestens seit 1986 kartellrechtswidrige Absprachen getroffen, wonach die in den Ausschreibungen ihrer Kunden zu liefernden Mengen unter den Kartellmitgliedern aufgeteilt werden sollten. Gegen die beteiligten Unternehmen wurden wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot in den USA, Großbritannien, Kanada, Brasilien und der EU hohe Bußgelder verhängt – im Fall der EU in Höhe von insgesamt ca. €131 Millionen.
Grundsätzlich werden nach Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz deutsche Staatsangehörige nicht an Staaten außerhalb der EU ausgeliefert. Staatsbürger anderer Staaten können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ausgeliefert werden. Diese Voraussetzungen sind überwiegend in bi- oder multilateralen Abkommen geregelt (z.B. Auslieferungsabkommen zwischen der EU und den USA). In den übrigen Fällen kommt in Deutschland auch das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen („IRG“) zur Anwendung.
Die Voraussetzungen einer Auslieferung sind hierbei grundsätzlich wie folgt:
Das, in diesem Fall zuständige Gericht, das OLG Frankfurt, sah diese Voraussetzungen als erfüllt an. Dies begründet sich zum einen darin, dass in Deutschland wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen im Rahmen des § 298 Strafgesetzbuch und auch als Betrug nach § 263 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht sind. Zum anderen lehnte das Gericht die Anwendbarkeit des Unionsrechts in Form des Diskriminierungsverbots (deutsche Staatsbürger dürfen nicht ausgeliefert werden, italienische schon) als Auslieferungshindernis ab. Zu beachten ist, dass bei dem Verfahren vor dem OLG nur das Vorliegen von Auslieferungshindernissen zu prüfen war, nicht aber, ob tatsächlich eine Freiheitsstrafe auch in Deutschland drohte. Auch wurde die Frage einer etwaigen Diskriminierung nicht-deutscher EU-Bürger im Falle einer Auslieferung bisher vom, letztlich hierzu berufenen, Gerichtshof der Europäischen Union nicht entschieden. Eine bereits bei der Europäischen Kommission gegen Deutschland eingelegte Beschwerde des betroffenen EU-Bürgers ist derzeit noch in Prüfung. Trotz dieser Unklarheiten wurde der Betroffene ausgeliefert und ihm droht nun eine mehrjährige Haftstrafe in den USA.
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