Neuer Entwurf einer EU-Verordnung für klinische Prüfungen – von Peter Homberg, Partner, und Christine Herkommer, LL.M., Associate, Dentons
Zur Entwicklung und Verbesserung von Arzneimitteln und medizinischen Methoden werden die Wirkungen von einem oder mehreren neuen oder bereits zugelassenen Arzneimitteln im Rahmen von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln festgestellt, verglichen und überprüft. Hiervon profitieren nicht nur die Arzneimittelhersteller, sondern auch die Patienten, die durch klinische Prüfungen Zugang zu innovativen Behandlungen erhalten können. Daneben sind klinische Prüfungen mit einer jährlichen Investitionssumme in der EU von etwa €20 Milliarden ein starker Wirtschaftsfaktor.
Status des Entwurfs einer neuen EU-Verordnung
Die EU-Kommission hat am 17. Juli 2012 den Entwurf einer neuen EU-Verordnung „Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG“ („VO-Entwurf“) veröffentlicht. Der Bericht des EU-Parlaments erging im Juni 2013. Die Plenarsitzung des EU-Parlaments ist für März 2014 vorgesehen. Die Verordnung soll dann im Jahr 2016 in Kraft treten und die zurzeit anwendbare EU-Richtlinie 2001/20/EG „Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln“ ersetzen.
Ziele des VO-Entwurfs
Das Ziel des VO-Entwurfs, nämlich Steigerung der Attraktivität der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln in der EU, soll unter anderem durch Beschleunigung, Vereinfachung und Vereinheitlichung des Genehmigungsverfahrens sowie durch Vereinfachung der bürokratischen Anforderungen (z.B. Berichterstattung) erreicht werden. Dabei soll der hohe Sicherheitsstandard für Patienten sowie die Beständigkeit und Zuverlässigkeit der Daten beibehalten werden. Der VO-Entwurf räumt der EU-Kommission das Recht ein, in den Mitgliedstaaten und in Drittstaaten die Einhaltung und richtige Umsetzung der neuen Regeln zu kontrollieren. Daneben wird aber auch dem Gesichtspunkt der Transparenz der erhobenen Daten ein besonderer Stellenwert eingeräumt.
Transparenz
Die beabsichtigte Transparenz bezieht sich (i) auf die Auswahl der teilnehmenden Patienten, (ii) auf den Ablauf des Genehmigungsverfahrens und (iii) auf die positiven und negativen klinischen Prüfergebnisse. Durch Steigerung der Transparenz sollen überflüssige und wiederholende klinische Prüfungen verhindert werden. Zukünftig sollen die zusammengefassten Ergebnisse der klinischen Prüfungen ein Jahr nach deren Abschluss beziehungsweise – gemäß dem Vorschlag des EU-Parlaments – 30 Tage nach Erteilung der Arzneimittelzulassung einer europäischen Datenbank zur Verfügung gestellt werden. Ferner soll der Sponsor mutmaßliche unerwartete schwerwiegende Nebenwirkungen an die Datenbank weiterleiten. Selbst die Prüfberichte der Mitgliedstaaten über die Einhaltung und Umsetzung des VO-Entwurfs sollen über die Datenbank veröffentlicht werden. Eine Ausnahme der Veröffentlichungspflicht zugunsten der Sponsoren, insbesondere zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, fehlt jedoch vollständig.
Reaktion der Sponsoren
Pharmazeutische Unternehmen und andere potentielle Sponsoren blicken mit größter Skepsis auf den VO-Entwurf. Wettbewerber können – ohne sich an den Kosten für die klinischen Studien beteiligt zu haben – über die Datenbank die Ergebnisse einsehen und in verschiedener Weise nutzen, so zum Beispiel für die Zulassung von Arzneimittel in Staaten, in denen kein Patentschutz besteht. Der Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen und das hohe wirtschaftliche Risiko der Sponsoren werden durch den Wunsch nach größtmöglicher Transparenz dadurch verdrängt.
Bericht des EU-Parlaments
Das EU-Parlament geht in seinem Bericht zum VO-Entwurf vom Juni dieses Jahres sogar weiter. Hierin wurde vorgeschlagen, dass nach Erteilung der Arzneimittelzulassung Daten klinischer Prüfungen nicht mehr als vertrauliche Geschäftsinformationen gelten sollen. Das EU-Parlament hat sich damit gegen den vom Ständigen Ausschuss „Industrie Forschung und Energie“ sowie „Binnenmarkt und Verbraucherschutz“ vorgeschlagenen Schutz geschäftlicher Interessen, inklusive der gewerblichen Schutzrechte, beziehungsweise Geschäftsgeheimnisse entschieden. Die Nichtaufnahme des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in den VO-Entwurf führt nach Ansicht des Ausschusses „Industrie Forschung und Energie“ zur Förderung eines unfairen Wettbewerbs, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen medizinischen Forschung als Ganzes bedrohen könnte.
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
Ähnlich wie im VO-Entwurf vorgesehen, hatte bereits die Europäische Arzneimittel-Agentur („EMA“) entschieden, Dritten Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen von Zulassungsanträgen eingereicht werden und Geschäftsgeheimnisse beinhalten, zu gewähren. Hiergegen suchten die betreffenden Biotechnologie-Unternehmen, AbbVie, Inc. und AbbVie Ltd. sowie InterMune UK Ltd. und InterMune International AG, deren Dokumente Dritten zugänglich gemacht werden sollten, mit Erfolg Einstweiligen Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof. Am 25. April 2013 untersagte der Präsident des Europäischen Gerichtshofes der Europäischen Arzneimittel-Agentur die Verbreitung der gegenständlichen Dokumente. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Hauptsache steht indes noch aus.
Ausblick
Trotz der klaren im Rahmen der beiden Einstweiligen Verfügungen dargestellten Tendenz des Europäischen Gerichtshofes hat das EU-Parlament dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und somit einer weitergehenden Transparenz den absoluten Vorrang eingeräumt. Sollten Geschäftsgeheimnisse – wie bislang im VO-Entwurf vorgesehen – in der endgültigen EU-Verordnung nicht angemessen geschützt werden, besteht jedoch eindeutig die Gefahr, dass Europa für klinische Prüfungen an Attraktivität verliert und somit das Ziel des EU-Entwurfs damit klar verfehlt wird.
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