Die Bundesregierung beabsichtigt, den am 23. März 2020 beschlossenen Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolenz- und Strafverfahrensrecht auf Wohn- und Gewerbemietverträge noch in dieser Woche in den Bundestag einzubringen, wo er noch in dieser Woche verabschiedet werden soll. Der Gesetzesentwurf enthält u.a. auch Bestimmungen zum Schutz von gewerblichen und privaten Mietern und Pächtern, die am 1. April 2020 in Kraft treten sollen. Nachdem der Gesetzesentwurf bereits in der vergangenen Woche Gegenstand umfänglicher Diskussionen war, entfaltet dieser nunmehr weniger Schutz für die Mieter als ursprünglich vorgesehen, sodass sich für die Behandlung von aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht vollständig vertragsgerecht erfüllter Mietverträge weiterhin eine Reihe rechtlicher Fragen stellen wird, die eine Betrachtung im Einzelfall erfordern werden. Idealerweise kann eine faire Verhandlungslösung erreicht werden.
Der Gesetzesentwurf stellt – anders als ursprünglich vorgesehen – klar, dass Mietern von Grundstücken oder Räumen kein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der Zahlung der Miete zusteht, selbst wenn die Miete aufgrund von Auswirkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie von Mietern aktuell nicht gezahlt werden kann. Ein solches Moratorium wurde für Wohnungsmieter und Kleinstunternehmer als Mieter bzw. Pächter vor dem Gesetzesentwurf noch diskutiert; das Moratorium gilt nun aber ausdrücklich nicht für Miet- und Pachtverträge. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzesentwurf „nur noch“ auf ein „Kündigungsmoratorium“, wonach der Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder Räume oder ein Pachtverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen kann, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht; der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist dabei von dem Mieter glaubhaft zu machen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung muss der Mieter oder Pächter somit die Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Geeignete Mittel können dabei insbesondere der Nachweis der Antragstellung bzw. die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. den Verdienstausfall sein. Mieter von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang regelmäßig mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des Corona-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist. Dies betrifft derzeit etwa Gaststätten oder Hotels, deren Betrieb zumindest für touristischen Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist.
Ferner sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Regelungen nur bis zum 30. Juni 2022 anwendbar sind. Das bedeutet, dass wegen Zahlungsrückstände, die vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 eingetreten und bis zum 30. Juni 2022 nicht ausgeglichen sind, nach diesem Tag wieder gekündigt werden kann. Da sich der Gesetzesentwurf ausdrücklich nicht auf sonstige Kündigungsgründe erstreckt, bleibt es dem Vermieter unbenommen, das Mietverhältnis aufgrund von Mietrückständen zu kündigen, die vor dem 1. April 2020 angefallen sind oder nach dem 30. Juni 2020 anfallen werden, wobei die Bundesregierung bereits ermächtigt ist, durch Rechtsverordnung die Kündigungsbeschränkung auf Zahlungsrückstände zu erstrecken, die im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis längstens zum 30. September 2020 entstanden sind, sofern die Auswirkungen der COVID-19-Pandemieweiterhin im erheblichen Maße fortbestehen sollten.
Die weiteren Auswirkungen, die die COVID-19-Pandemie und der Gesetzesentwurf auf Mietverhältnisse haben werden, bleiben dagegen offen. Dies liegt vor allem daran, dass der Gesetzgeber davon absieht, die von betroffenen Mietern zu zahlenden Mieten für April bis Juni 2020 als nicht fällig zu behandeln. Vielmehr stellt der Gesetzesentwurf klar, dass die entsprechenden Mieten weiterhin fällig sind, deren Nichtzahlung aber vor Ablauf des 30. Juni 2022 dem Vermieter nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der Fälligkeit und des Verzugs weiterhin anwendbar bleiben. Somit verbleibt es auch nach Inkrafttreten des Gesetzesentwurfes bei der aktuellen Gesetzeslage, wonach der Vermieter einen (notfalls einklagbaren) Anspruch auf Zahlung der Miete auch für die Monate April bis Juni 2020 hat. Aufgrund der Nichterfüllung fälliger Mietzahlungsansprüche könnte sich der Vermieter auch einer in Gewerbemietverträgen üblicherweise für einen Zeitraum von drei Monaten gewährten Mietsicherheit bedienen und dadurch den Mietausfall nebst Verzugszinsen ausgleichen. Schließlich stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen die Nichtzahlung anderer Zahlungsansprüche des Vermieters gegen den Mieter hat. Während man z.B. Nebenkostenvorauszahlungen oder –pauschalen wohl als Teil der Miete wird ansehen müssen, deren Nichtzahlung in den Monaten April bis Juni 2020 nicht zu einem Kündigungsrecht des Vermieters führt, kann dies für andere Zahlungen, wie z.B. mieterseitige Baukostenzuschüsse oder Beiträge zur Werbegemeinschaft nicht ohne weiteres angenommen werden und deren Nichtzahlung den Vermieter unter Umständen zur Kündigung berechtigen. Schließlich ist zu bedenken, dass gewerbliche Mietverträge oftmals hohe Verzugszinsen vorsehen, deren Zahlung Mieter ebenfalls empfindlich treffen können.
Da der Gesetzesentwurf die generelle Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Miete für die Monate April bis Juni 2020 unberührt lässt, stellt die Nichtzahlung der Miete ohne Treffen weiterer Vereinbarungen mit dem jeweiligen Vermieter für Mieter nur das letzte Mittel dar. Mieter und Vermieter sind daher gut beraten, für die Auswirkungen durch die COVID-19-Pandemie Verhandlungslösungen zu suchen, ggf. unter Einbeziehung der Gläubiger des Vermieters, um ein zunächst einseitiges Durchschlagen der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Mieter zu verhindern. Denn da die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ohne Verhandlungslösungen alle Marktteilnehmer treffen (werden), sollten die Auswirkungen möglichst breit verteilt und aufgefangen werden. Wenn sich also der Vermieter nach dem Wortlaut des Gesetzesentwurfs zwar der gewährten Mietsicherheit bedienen kann, darüber hinaus empfindliche Verzugszinsen anfallen und das Kündigungsrecht des Vermieters unberührt bleibt, sollte der Mieter anderen Zahlungspflichten als die Zahlung der Miete für die Monate April bis Juni 2020 nicht nachkommen, kann nur eine Verhandlungslösung eine nahezu einseitige Risikoverteilung verhindern. Sofern sich ein Mieter daher nicht in der Lage sieht, die Mieten für April bis Juni 2020 ganz oder teilweise zu zahlen, bietet es sich ungeachtet des am 1. April 2020 in Kraft tretenden Gesetzesentwurfs an, einen Nachtrag mit dem Vermieter zu verhandeln und abzuschließen, um klare Regelungen zu dem Umfang und der Folge nicht getätigter Mietzahlungen zu treffen.
Auch für den Vermieter ist der Abschluss eines solchen Nachtrags bereits aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll; gleiches gilt dann auch für die Gläubiger des Vermieters. Grundsätzlich kann nämlich auch bei Mietverträgen die Regelung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommen und ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags bestehen. Denn insoweit kann die COVID-19-Pandemie als so genannte „Gemeingefahr“ oder „höhere Gewalt“ eingestuft werden, die gegebenenfalls von den betreffenden Vertragsparteien ohnehin gemeinschaftlich zu tragen ist, wenn nicht im Rahmen des Mietvertrags eine hiervon abweichende Risikoallokation vorgenommen wurde. So ist gemäß Erlass des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat vom 23. März 2020 (AZ 70406/21#1) für den Bereich des Baurechts bereits anerkannt, dass die Corona-Pandemie geeignet ist, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B auszulösen. Ob und in welchem Umfang nicht ohnehin ein Anpassungsanspruch des Mieters besteht, wird immer eine Frage des konkreten Einzelfalls und einer umfassenden Interessenabwägung bleiben. Angesichts des einzigartigen Charakters der COVID-19-Pandemie sollten die involvierten Parteien, insbesondere Mieter und Vermieter, diese Frage selbst beantworten und die Abwägung ihrer Interessen selbst vornehmen.
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