Der deutsche Außenhandel ist wieder auf Vorkrisenniveau. Dennoch gibt es keinen Weg zurück in die Zeit vor Corona. Dafür haben sich die Koordinaten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu sehr verschoben. Heraklits 2.500 Jahre alte Erkenntnis wirkt aktueller denn je: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Die Welt von heute, morgen und übermorgen stellt Unternehmen und ihre Wertschöpfungsketten vor neue Herausforderungen – bietet zugleich aber Chancen und Entwicklungspotentiale. Was sind die Koordinaten dieser New Dynamic?
Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind derzeit schwierig wie lange nicht mehr. Die auf fairen Wettbewerbsbedingungen beruhende Offenheit für Handel und das Streben nach vorteilhaften Handelsbeziehungen werden infrage gestellt. In der heutigen, eng verflochtenen Weltwirtschaft haben drittstaatliche Subventionen eine verzerrende Wirkung auf den EU-Binnenmarkt. Der faire Wettbewerb zum Vorteil der Begünstigten wird untergraben. Die EU-Beihilferegeln, die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe und die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU spielen bei der Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt eine wichtige Rolle. Die bestehenden Instrumente greifen jedoch nicht, wenn Empfänger drittstaatlicher Subventionen in EU-Unternehmen investieren oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen. Gleichsam bieten sie keine Handhabe dagegen, wenn EU-Unternehmen in Drittstaaten von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Der Marktzugang zum öffentlichen Beschaffungswesen für internationale Anbieter ist in der EU dagegen kaum eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund sollen zusätzliche Kontrollinstrumente implementiert werden, um ein ausreichendes wettbewerbliches level playing field zu sichern.
Die EU-Kommission hat mit dem internationalen Beschaffungsinstrument (International Procurement Instrument – „IPI“) einen rechtlichen Rahmen für den Zugang zum EU-Beschaffungsmarkt vorgeschlagen. Das IPI soll diskriminierende Maßnahmen gegen EU-Unternehmen in Drittländern verhindern und die fehlende Reziprozität beim Zugang zu öffentlichen Beschaffungsmärkten herstellen. Die Kommission wäre berechtigt, Beschränkungen auf eigene Initiative, nach einer Beschwerde einer EU-Regierung oder einer anderen interessierten Partei zu untersuchen. Parallelen zu den Kompetenzen der Kommission in Antidumping- oder Antisubventionsverfahren sind offensichtlich. Der Ministerrat hat am 2. Juni 2021 das Mandat für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament verabschiedet. Zusätzlich hat die Europäische Kommission am 5. Mai 2021 einen Legislativvorschlag für eine Verordnung über wettbewerbsverzerrenden Subventionen aus Drittstaaten mit drei neuen Kontrollinstrumenten vorgelegt:
Falls ein Unternehmen einen subventionierten Zusammenschluss oder eine finanzielle Zuwendung im Rahmen eines Vergabeverfahrens nicht (an)meldet, obwohl die Schwellenwerte erreicht sind, kann die Kommission Geldbußen verhängen und den Zusammenschluss oder das Angebot genauso prüfen, als wäre eine (An)meldung erfolgt. Bei von Amts wegen eingeleiteten Prüfverfahren können die ersten Informationen von Marktbeteiligten, einschließlich Wettbewerbern, Wirtschaftsverbänden oder sonstigen Beteiligten, herrühren. Die Kommission wird befugt sein, von Unternehmen sachdienliche Informationen anzufordern. Sie kann außerdem vor Ort Nachprüfungen durchführen. Sollte es jedoch nicht möglich sein, alle erforderlichen Informationen einzuholen (beispielsweise bei Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat), wäre die Kommission dem Legislativvorschlag zufolge befugt, anhand der verfügbaren Informationen über einen Fall zu entscheiden.
Die Definition einer „drittstaatlichen Subvention“ ähnelt dem Begriff der staatlichen Beihilfe. Dies führt freilich nicht zu weniger Komplexität. Im Gegenteil: Wir erwarten, dass das neue Rechtsregime vielschichtige Fragen aufwerfen wird, die eine umfassende Expertise der Berater über die rechtlichen, ebenso wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordert.
Vor wenigen Jahren war das englische Acronym ESG kaum geläufig. Heute steht es weit oben auf der Agenda von Politik und Wirtschaft. Die Entwicklung von freiwilligen Regelungen für Unternehmen rund um Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung) hin zu einem stärker regulierten und verpflichtenden Regime ist in vollem Gange.
Nach mehreren Verhandlungsrunden haben sich der Rat und das Europäische Parlament am 20. Mai 2021 auf eine Neufassung der Dual-Use Verordnung und damit auf neue Exportregeln für Dual-Use Güter geeinigt. Die neue Verordnung (EU) 2021/821 tritt am 9. September 2021 in Kraft. Sie wird die Verordnung (EG) Nr. 428/2009 aus dem Jahr 2009 ersetzen. Eine „Menschenrechts-Catch-All-Regelung" kommt zwar nicht auf die deutsche Wirtschaft zu. Doch enthalten die neuen Regeln Bestimmungen, um Menschenrechtsverletzungen und Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit dem potenziellen Missbrauch von Technologien für digitale Überwachung zu verhindern. Unternehmen werden in Zukunft in Sachen Menschenrechtsschutz vermehrt in die Pflicht genommen.
Das vom Bundestag am 11. Juni 2021 beschlossene Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten („Lieferkettengesetz“) belegt diesen Trend. Danach sollen Unternehmen menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einhalten. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substantielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten.
Das Lieferkettengesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten und ein Jahr später für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten gelten. In die Mitarbeiterzahl werden ins Ausland entsandte Beschäftigte mit einbezogen. Für die Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) verantwortlich sein. Das BAFA kann bei Verstößen geeignete Buß- und Zwangsgelder verhängen. Der Bußgeldrahmen reicht bei schweren Verstößen bis zu zwei Prozent des weltweiten Konzernumsatzes. Je nach Art des Verstoßes kann das Unternehmen ab einer Geldbuße von EUR 175.000 von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.
Menschenrechte im Supply Chain Management zu verankern ist eine Herausforderung. Angesichts der Haftungsrisiken müssen Unternehmen diese Aufgabe dennoch in Angriff nehmen. Wir empfehlen, die neuen gesetzlichen Anforderungen nicht als Last zu sehen, sondern vor allem als Chance, die eigene Reputation und Wahrnehmung im Markt zu stärken.
Schlüsseltechnologien sind existenziell wichtig für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre global arbeitsteilige Entwicklung führt unweigerlich zu einem Geflecht an Abhängigkeiten (von ausländischen Unternehmen oder Staaten). Erklärtes Ziel ist es, unabhängiger von Lieferanten aus Asien zu werden.
Zum Schutz digitaler Souveränität und dem Erhalt von Schlüsseltechnologien werden nicht nur in Deutschland Sicherheitsinteressen neu – d.h. weiter – definiert. Der Bund hat durch mehrere Reformen das deutsche Investitionskontrollregime so aufstellt, dass er seinen Schutzauftrag für das Gemeinwesen auch im Zeitalter der Digitalisierung wahrnehmen kann. Die Novellen sollen den „Ausverkauf“ von Know-how verhindern und sicherstellen, dass mit den Schlüsseltechnologien die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet bleibt. Die letzte – 17. AWV Novelle – ist seit Mai 2021 in Kraft. Damit werden die Kontrollbefugnisse des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie abermals erweitert. Mit Blick darauf, dass der handelspolitische Diskurs in jüngster Zeit von Sicherheitsinteressen geprägt ist, steht die Bedeutung der Investitionskontrolle nicht mehr hinter jener der Fusionskontrolle zurück. Neben Deutschland haben weitere EU Mitgliedstatten und Drittstaaten in jüngster Zeit neue Regelungen zur Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen verabschiedet. Staaten setzen dieses Kontrollinstrument vermehrt zum Schutz nationaler Sicherheitsinteressen ein. Freilich ist der Grat zwischen Marktabschottung und Sicherheitsvorsorge schmal.
Um – je nach Sichtweise – digitale Souveränität zurückzuerobern oder auszubauen, sind gewaltige Investitionen geboten. Beinahe täglich berichten die Medien über fehlende Halbleiterbauteile auf den Märkten in den USA und Europa. Von Schweden bis Italien stehen die Bänder in den Fahrzeugfabriken still. Deutschland und Europa sollen im Bereich Mikroelektronik – und anderen Schlüsseltechnologien – souveräner und unabhängiger von Importen werden. Mit einem Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Project of Common European Interest – „IPCEI“) können die Mitgliedstaaten Innovationen bis zur ersten gewerblichen Nutzung fördern. Im Rahmen eines ICPEI profitieren deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb von vereinfachten beihilferechtlichen Regeln. Gleichzeitig schaffen sie einen nachhaltigen Mehrwert für Industrie und Gesellschaft. Deutschland ist bereits in mehreren solchen Projekten – wie zur Batteriezellförderung und Mikroelektronik – erfolgreich involviert. Weitere Projekte sollen folgen.
Die Gewährleistung der Cyber-Sicherheit ist ein Schlüsselthema für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, die gerade mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche auf funktionierende Informations- und Kommunikationstechnik angewiesen sind. Die jüngsten Cyber-Attacken auf den weltgrößten Fleischkonzern JBS, den Exchange-Server von Microsoft oder mittels des via Solarwinds-Software eingeschleusten Schadcode Sunburst haben gezeigt, dass Cyber-Angriffe für Unternehmen und die globalen Wertschöpfungsketten massive Auswirkungen haben können. Die Cyber-Gefährdungslage ist durch steigende Komplexität, Interdependenzen mit der eingesetzten Technik und sich ständig wandelnden Bedrohungen geprägt. So stellt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in seinem letzten Lagebericht zur IT-Sicherheit eine unverändert hohe Dynamik der Angreifer bei gleichzeitiger (Weiter-)Entwicklung von Schadprogrammen und Angriffswegen fest. Die Digitalisierung hat insoweit neue Verwundbarkeiten, Missbrauchspotenziale und Angriffsarten hervorgebracht. Da sich Methoden und Techniken von Cyber-Angriffen laufend weiterentwickeln, ist die Fortschreibung von Abwehrmaßnahmen zur Erhöhung der Cyber-Sicherheit ein stetiger Prozess.
Dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode folgend, wird der mit dem IT-Sicherheitsgesetz im Jahr 2015 geschaffene Ordnungsrahmen durch das am 28. Mai 2021 in Kraft getretene IT-Sicherheitsgesetz 2.0 erweitert. Danach finden die bereits für Betreiber Kritischer Infrastrukturen geltenden Meldepflichten und Mindeststandards gleichsam für Unternehmen, die von besonderem öffentlichen Interesse sind, wie Unternehmen der Rüstungsindustrie und Verschlusssachen-IT, Anwendung. Das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 nimmt überdies die Debatte über den Umgang mit chinesischen Anbietern beim Ausbau des 5G Netzes in Deutschland dahingehend auf, dass die Sicherheitsanforderungen für die Kommunikationsnetze angesichts ihrer steigenden Kritikalität deutlich erhöht werden sollen. In einem zweistufigen Prüfverfahren sollen neben der technischen Verlässlichkeit kritischer Komponenten auch die politische Vertrauenswürdigkeit der Hersteller bewertet werden.
Für Ihre Fragen rund um die die Themen Nachhaltigkeit, level playing field, Digitale Souveränität und Cyber-Sicherheit stehen wir jederzeit gern zur Verfügung. Wir kennen die praktischen und rechtlichen Fallstricke in allen relevanten Rechtsbereichen (Außenwirtschafts-, EU Beihilfe , Vergabe- und IT Recht). Mit unserer (fach-)übergreifenden Expertise und unserer langjährigen Erfahrung sind wir ein verlässlicher Partner, der mit Ihnen gemeinsam mit- und vorausdenkt – heute, morgen und übermorgen.
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