Dieser Beitrag wurde am 27. März 2020 aktualisiert
Mit dem Newsletter vom 13. März 2020 haben wir die ersten wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der "Corona-Krise" zusammengefasst. Nach den flächendeckende Kita- und Schulschließungen hat sich für viele Unternehmen die Frage gestellt, wie sie mit Arbeitnehmern umgehen, die aufgrund der notwendigen Betreuung eines Kindes nicht mehr im Büro oder unter Umständen gar nicht mehr arbeiten können. Nunmehr hat der Gesetzgeber auch in dieser Hinsicht reagiert und mit § 56 Abs. 1a IfSG eine Neuregelung getroffen, die in derartigen Fällen betroffenen Arbeitnehmern einen Entschädigungsanspruch zugesteht.
Wenn eine Kinderbetreuung nicht anders zu gewährleisten ist, müssen Arbeitnehmer für einen begrenzen Zeitraum nicht zur Arbeit erscheinen. Spiegelbildlich sind Arbeitgeber zur Freistellung verpflichtet, aber nicht per se zur Entgeltfortzahlung. Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge können von dieser Ausgangslage abweichende Regelungen vorsehen.
§ 45 SGB V (Krankengeldanspruch des Arbeitnehmers) greift nur ein, wenn das Kind erkrankt ist, nicht bei einer bloßen Schließung der Kita oder Schule.
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch kann sich aus § 616 BGB ergeben, wenn die Arbeitsverhinderung für einen „nicht unverhältnismäßigen Zeitraum“ eintritt und der Anspruch im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen ist. Welche Abwesenheitsdauer als noch verhältnismäßig betrachtet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Rechtsprechung berücksichtigt dabei unter anderem das Verhältnis zwischen der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und der Dauer der Abwesenheit. Das bedeutet, dass bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen selbst längere Zeiträume noch verhältnismäßig sein können. Angesichts der von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle dürften aber selbst bei langjährigen Beschäftigungen jedenfalls Abwesenheitszeiten von über sechs Wochen nicht mehr verhältnismäßig sein. Umgekehrt wurden Abwesenheitszeiten von nur wenigen Tagen (etwa eine Woche bzw. 5 Arbeitstage) von den Gerichten oft unproblematisch als noch verhältnismäßig angesehen. Bei Zeiträumen, die sich zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen bewegen, verleiben demnach stets Unsicherheiten bei der Bewertung der Vergütungspflicht.
Zahlen Arbeitgeber entgegen dieser Ausgangslage auf freiwilliger Basis das Entgelt trotz der Nichtarbeit fort, sollte dies zu Beginn vorsorglich entweder für einen klar definierten Zeitraum erfolgen oder mit einem Vorbehalt versehen werden. Leider müssen aber viele Unternehmen aufgrund der oft bereits jetzt schon entstandenen wirtschaftlichen Krise und der Nichtvorhersehbarkeit des weiteren Verlaufs Überlegungen zu Alternativen anstellen.
Infolge des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wird am 30. März 2020 eine Neuregelung in Kraft treten, die einem Arbeitnehmer unter folgenden Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch im Fall einer Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen oder Schulen gewährt:
Liegen die vorstehend genannten Voraussetzungen vor, hat der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 67% des ihm entstandenen Verdienstausfalls. Der Anspruch ist auf max. EUR 2.016,00 pro Monat begrenzt und besteht für eine Höchstdauer von sechs Wochen. Nach § 56 Abs. 5 IfSG hat der Arbeitgeber die Entschädigung für die zuständige Behörde an den Arbeitnehmer auszuzahlen, er kann sich die Entschädigung auf Antrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Der Arbeitgeber geht damit in „Vorleistung“, d.h. er muss das Vorliegen der Voraussetzungen prüfen, um nachträglich den Antrag auf Erstattung gegenüber der Behörde geltend machen zu können. Aus diesem Grund muss der Arbeitnehmer auch zwingend das Fehlen einer zumutbaren anderweitigen Betreuungsmöglichkeit gegenüber der Behörde nachweisen, auf Verlangen auch gegenüber dem Arbeitgeber.
Nach der Gesetzesbegründung besteht eine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit z. B. bei
Einen Verdienstausfall erleidet der Arbeitnehmer nicht, wenn er z.B. einen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag hat. Ebenfalls liegt kein Verdienstausfall vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt hat. Die Gesetzesbegründung nimmt das Fehlen eines aufgrund der Schließung der Kinderbetreuung / Schule erfolgenden Verdienstausfalls schließlich auch dann an, wenn die Arbeitszeit des Arbeitnehmers z.B. aufgrund von Kurzarbeit verringert ist. Arbeitszeitguthaben müssen zudem vorrangig abgebaut und Home-Office-Möglichkeiten ausgeschöpft werden.
Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch liegen dann nicht vor, wenn die „Schließung ohnehin aufgrund der Schulferien“ erfolgen würde. Schließzeiten von anderen Betreuungseinrichtungen wie z.B. Kindergärten nennt das Gesetz nicht. Da die Osterferien vor der Tür stehen und zumindest während dieses Zeitraums damit bei schulpflichtigen Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Entschädigungsanspruch nicht gegeben sein wird, müssen Unternehmen auch andere Varianten einer möglichen Lösung prüfen.
Im ungekündigten Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht einseitig und gegen den Willen des Arbeitnehmers Urlaub anordnen. Das sog. Betriebsrisiko darf nicht durch einseitige Urlaubsanordnung auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden, umso mehr, wenn der Urlaub schon anders verplant ist oder möglicherweise schon ausdrücklich genehmigt wurde. Unzulässig wäre erst recht eine Anordnung unbezahlten Urlaubs.
Jedenfalls im betriebsratslosen Betrieb können Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer um die Realisierung von noch nicht verplantem Resturlaub bitten, umso mehr, wenn dieser aus dem Vorjahr stammt und der Verfall droht. Angesichts der allgegenwärtigen „Corona-Krise“ ist zu hoffen, damit dies von Arbeitnehmern akzeptiert wird.
In Betrieben mit Betriebsrat kann erwogen werden, eine Betriebsvereinbarung über Betriebsurlaub zu vereinbaren. Im Rahmen von Betriebsvereinbarungen kann der Arbeitgeber damit eine kurzfristige Realisierung eines Teils des Jahresurlaubs (nicht des gesamten Jahresurlaubs!) erreichen. Sicher wird eine solche Zwangsbeurlaubung nicht für alle Beteiligten attraktiv sein. Sie könnte aber angesichts der aktuellen Entwicklung der Situation dennoch verhandlungsfähig sein. Zielführend ist ein solches Modell nur, wenn der Betriebsrat kurzfristig zu einer Regelung bereit ist.
Wird ein Arbeitszeitkonto geführt, wäre auch die Anordnung des Abbaus von Zeitguthaben und/oder des Aufbaus von Minusstunden, die später im Jahr oder über einen vereinbarten Zeitraum auszugleichen sind, möglich. Dabei ist aber zu prüfen, ob tarifliche, betriebliche oder arbeitsvertragliche Regelungen geändert werden müssen (Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen).
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, sofern dies dem Betreuungsbedarf gerecht wird und für den Arbeitnehmer finanziell akzeptabel ist, befristet die Arbeitszeit und in dem entsprechenden Umfang das Entgelt zu reduzieren. Bei Ehe- oder Lebenspartnern, bei denen ein Partner in Vollzeit und der andere in Teilzeit tätig ist, kann das eine praktikable Option sein. Mit etwas Aufwand ließe sich das bei Abstimmung zwischen den verschiedenen Arbeitgebern eines berufstätigen Paars sogar gewährleisten, wenn beide in Vollzeit tätig sind. Diese Variante kann für Arbeitnehmer mit einem Verdienst über der Beitragsbemessungsgrenze u.U. vorteilhafter als die Einführung von Kurzarbeit sein.
Denkbar sind Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nach denen der Arbeitgeber – notfalls auch über mehrere Wochen – abweichend von § 616 BGB zum Beispiel 50% des Entgelts fortzahlt, sofern der Arbeitnehmer wegen der Schließung von Schule und/oder Kita keine Betreuungsmöglichkeit hat, und der Arbeitnehmer entsprechend nur mit 50% seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit im Home Office arbeitet oder im Betrieb/Büro (sofern je nach räumlichen Gegebenheiten und damit verbundenen Infektionsrisiken vertretbar). Auch dadurch ließe sich, wenn auch die Arbeitszeit für diesen Zeitraum reduziert wird, bei parallel berufstätigen Ehe-oder Lebenspartnern entsprechende Lösungen finden.
Arbeitgeber sollten auch die Einführung von Kurzarbeit in Betracht ziehen. Die Epidemie und die damit verbundenen Folgewirkungen (Kita-Schließungen, Auftragseinbrüche etc.) können sich sowohl in Form von wirtschaftliche Gründen (z.B. auf der Kunden- oder Lieferantenseite) auswirken als auch als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III darstellen. Über die Voraussetzungen der Kurzarbeit werden wir Sie noch diese Woche in einem gesonderten Schreiben unterrichten.
Auf dem globalen Dentons COVID-19 Hub finden Sie zudem neben Informationen zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen von Covid-19 in Deutschland auch eine Übersicht über die arbeitsrechtliche Rechtslage in anderen Ländern und weitere wichtige Informationen wie z.B. die geplante Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Deutschland.
Bleiben Sie gesund!
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