Bislang weitgehend unbeobachtet von der juristischen Praxis hat das BMJV am 20. Oktober 2021 den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht“ vorgelegt.
Der neue Entwurf aus dem Hause der geschäftsführenden SPD-Ministerin Lambrecht sieht nicht weniger vor als eine gravierende Änderung zur Schriftform bei Gewerbemietverträgen.
Abweichend von der derzeit vorgesehenen Schriftform für Mietverträge und Nachträge hierzu soll für Nachträge zu Gewerbemietverträgen künftig die Textform gemäß § 126b BGB genügen. Oder mit einfachen Worten: Der Nachtrag per E-Mail wird ermöglicht.
Die vor allem im Gewerberaummietrecht eine wichtige Rolle spielende Einhaltung des Schriftformerfordernisses bei langfristigen Mietverträgen soll durch die neue Gesetzesinitiative einer vereinfachten Regelung zugeführt werden. Bislang gilt, dass Mietverträge mit einer vereinbarten Laufzeit von über einem Jahr in schriftlicher Form im Sinne des § 126 BGB abgeschlossen werden müssen, § 550 BGB. Ist dies nicht der Fall, gelten solche Mietverträge als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dies hat zur Folge, dass solche Mietverträge – trotz der (in nicht schriftformkonformer Weise) vereinbarten Festlaufzeit – nach den gesetztlichen Vorschriften ordentlich gekündigt werden können.
Nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers dient das Schriftformerfordernis des § 550 BGB in erster Linie dem Schutz eines Erwerbers einer vermieteten Sache, der in die Rechte und Pflichten des Vermieter-Veräußerers mit Erwerb eintritt (§§ 578 Abs. 2, 566 BGB).
Die Rechtsfolge der ordentlichen Kündbarkeit von in nicht schriftformkonformer Weise geschlossenen Mietverträgen hat in der Praxis bei Gewerberaummietverhältnissen dazu geführt, dass sich Parteien eines Mietvertrages einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB nützlich machen, um sich von unliebsam gewordenen Verträgen vorzeitig trennen zu können. Gerade die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform bereitet den Parteien von Gewerberaummietverträgen – vor allem bei nachträglichen Änderungen des Mietvertrages – regelmäßig Probleme. Hinzu kommt eine kaum noch zu überblickende Einzelfallrechtsprechung aller Instanzen zu einzelnen Aspekten der Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform von langfristigen Gewerberaummietverträgen. Nachdem der BGH den Versuchen, dem Eintritt der Rechtsfolge der ordentlichen Kündbarkeit durch die Aufnahme von sogenannten Schrifformheilungsklauseln einen Riegel vorgeschoben hat (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 26.2.2020 – XII ZR 51/19, Rn. 28), verbleibt nur noch der Weg über eine gesetzliche Neuregelung, um dem Bedürfnis beider Parteien, die Laufzeit eines Vertrages durch zeitliche Befristung verlässlich zu planen, gerecht zu werden.
Der Diskussionsentwurf sieht vor, dass eine neue gesetzliche Regelung für Gewerberaummiet- und Pachtverhältnisse als § 578a in das BGB eingefügt werden soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Neuregelung nur Gewerberaummiet- und Pachtverhältnisse betrifft. Bezüglich des Wohnraummietrechts, bei dem die schriftformbedingte Kündigung ohnehin keine (große) Rolle spielt, verbleibt es hingegen bei den bislang geltenden gesetzlichen Regelungen.
Durch die in dem Diskussionsentwurf angestrebte Neuregelung in § 578a Abs. 2 BGB können Rechtsgeschäfte zur Änderung des Mietvertrages auch in Textform abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass der ursprüngliche Mietvertragsabschluss bei Verträgen mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr weiterhin der Schriftform bedarf, möchte man sich nicht dem Risiko einer vorzeitigen Kündigung seines Vertragspartners ausgesetzt sehen. Durch die Erleichterung des Abschlusses von darauffolgenden Vertragsänderungen in Textform, soll dem praktischen Bedürfnis Rechnung getragen werden, dass vor allem „handwerkliche“ Fehler bei nachträglichen Änderungen eines Mietvertrages bisher zu Schriftformverstößen geführt haben.
Die Nichteinhaltung der Textform (für die auch ein E-Mailaustausch ausreichend wäre) würde in der Konsequenz zur Nichtigkeit der entsprechenden Änderung führen (§ 125 BGB). Hiervon wäre jedoch der Ausgangsmietvertrag und vorhergehende in Textform erfolgte Änderungen unberührt. Eine Infizierung der gesamten mietvertraglichen Vereinbarungen durch einen nicht in Schrift- oder Textform abgeschlossen Nachtrag würde somit vermieden werden, was sicherlich dem Planungsinteresse der Parteien zuträglich wäre.
Durch das Textformerfordernis soll gleichzeitig dem Informationsinteresse eines Erwerbers gedient werden, damit dieser in die Lage versetzt wird, sich über den Inhalt des Mietvertrags, in den dieser eintritt, vergewissern zu können.
Der Diskussionsentwurf sieht vor, dass die neuen Regelungen erst ab einem noch festzulegenden Stichtag Anwendung finden sollen. Im Entwurf ist derzeit eine Übergangsfrist von 5 Jahren vorgesehen. Bis zu diesem Stichtag gilt die bisherige Rechtslage fort und korrespondierend hierzu können Mietverhältnisse aufgrund schriftformwidrig vereinbarten Inhalts gekündigt werden.
Zunächst einmal ist es erfreulich, dass sich der Gesetzgeber mit einer einhellig als unbefriedigend empfundenen Gesetzeslage beschäftigt und versucht, diese zu lösen. Auch ist der Ansatz zu begrüßen, die Reichweite der Formnichtigkeit zu begrenzen. Allerdings birgt die Herabsetzung der formellen Schwelle auch Risiken, vor allem wenn man die Warnfunktion der Schriftform als zweite Funktion neben dem Erwerberschutz betrachtet. Mit der Änderung erstarken scheinbar informelle Abreden zwischen Asset- und Property-Manager und Mieter schnell zu Vertragsänderungen, ohne dass dies in jedem Einzelfall gewünscht sein dürfte. Als Nebenfolge dürfte auch der Prüfungsaufwand für rechtliche Berater weiterhin hoch sein, wenn es darum geht, die zurückliegende E-Mail-Korrespondenz der Parteien auf vertragsändernde Abreden zu scannen.
Dies ist schwer vorhersehbar; die Verbände (ZIA und andere Immobilienverbände) sind zur Stellungnahme bis Ende Januar 2022 aufgefordert. Eine Unsicherheit verbleibt in jedem Fall.
Diese Unsicherheit wird nach unserer Bewertung noch zusätzlich durch den laufenden Prozess der Regierungsneubildung befeuert, auch wenn es sich bei dem Thema nicht um ein solches mit politischer Richtungswirkung handelt und es kein „Herzensanliegen“ einer der Ampel-Koalitionäre sein dürfte, die Regelung einzuführen oder aber zu blockieren.
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