Mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur hat die Bundesregierung im November 2019 einen Aktionsplan vorgelegt, um bis zum Jahr 2030 eine flächendeckende, nutzerfreundliche Ladeinfrastruktur für Elektroautos zu errichten. Der Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung sieht u.a. eine Überarbeitung der Ladesäulenverordnung („LSV“) vor, um die Authentifizierung und Bezahlsysteme besser, d.h. einfacher und transparenter, für die Nutzung durch den Verbraucher zu regeln. Die Zweite Verordnung zur Änderung der LSV, die unter anderem diese Ziele verwirklichen soll, ist am 10.11.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und im Wesentlichen am 01.01.2022 in Kraft getreten. Zudem führen auch die Änderungen des Messstellenbetriebsgesetzes („MsbG“) zu Klarheit über die Ausstattungspflicht von öffentlichen Ladepunkten mit sog. Smart Metern.
Außerdem hat die Bundesnetzagentur („BNetzA“) durch eine Festlegung einen neuen „Netznutzungsvertrag Elektromobilität“ ermöglicht, der – zumindest regulatorisch – die Zuordnung jedes einzelnen Ladevorgangs zu einem Lieferanten umsetzbar macht. Dies könnte das Ende des „Roamings“ in der aktuellen Form einläuten.
Dieser Client Alert gibt schwerpunktmäßig einen Überblick über die wesentlichen Änderungen der LSV und deren Auswirkungen auf die Praxis. Zudem wird der neue „Netznutzungsvertrag Elektromobilität“ in den Blick genommen.
Die LSV definiert nunmehr die öffentliche Zugänglichkeit von Ladepunkten neu (§ 2 Nr. 5 LSV). Da die LSV grundsätzlich nur auf öffentliche Ladepunkte Anwendung findet, ist die Definition von großer Bedeutung. Die bisherige Definition führte in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit, da diese für die Abgrenzung eines öffentlichen von einem privaten Ladepunkt allein auf die „tatsächliche Zugänglichkeit“ abstellte. Es kam also darauf an, ob der zum Ladepunkt gehörende Parkplatz von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis tatsächlich befahren werden konnte.
Diese Definition hatte in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und praktischen Anwendungsproblemen geführt, da viele Parkplätze an Ladepunkten, die für eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Fahrzeug reserviert sind (z.B. für Mitarbeiter oder Nutzer von Car-Sharing-Diensten), tatsächlich befahrbar, aber nicht für eine öffentliche Benutzung vorgesehen sind.
Mit der Anpassung des Begriffs der „öffentlichen Zugänglichkeit“ sollen die o.g. Abgrenzungsschwierigkeiten künftig beseitigt werden. Ein Ladepunkt ist nach der neuen Definition dann nicht öffentlich zugänglich, wenn der Betreiber die Nutzung des Ladepunktes auf einen individuell bestimmten Personenkreis am Ladepunkt selbst oder in dessen unmittelbarer räumlicher Nähe durch eine deutlich sichtbare Kennzeichnung (z.B. Bodenmarkierung) oder Beschilderung beschränkt.
Einer physischen Barriere, wie z.B. einer Schranke oder eines Pollers, bedarf es für die Einstufung als nicht öffentlich zugänglicher Ladepunkt nicht (mehr). Unter einem individuell bestimmten Personenkreis sind, so die Verordnungsbegründung, Personen zu verstehen, die dem Betreiber regelmäßig namentlich bekannt sind oder die der Betreiber auf diese Weise bei Bedarf individuell identifizieren kann. Dies ist typischerweise bei einer Mitgliedschaft, einer Anmeldung oder Registrierung, die aufgrund eines von dem Betrieb des Ladepunktes eindeutig abgrenzbaren, primären Geschäftsbetriebs erforderlich ist (z.B. bei Hotels, (stationsbasiertem) Car-Sharing und Arztpraxen) sowie bei einem Arbeitsverhältnis der Fall.
Ein zentrales Ziel des Verordnungsgebers ist es, Bezahlsysteme an Ladepunkten einfacher und transparenter zu gestalten. Um dieses Ziel umzusetzen, müssen Ladepunktbetreiber ab dem 01.07.2023 ein einheitliches kartenbasiertes Bezahlsystem anbieten.
Bislang hat der Betreiber eines Ladepunkts das Recht, zwischen vier verschiedenen Bezahlmethoden (§ 4 LSV) auszuwählen. Da das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“, zuvor „BMWi“) nach Rücksprache mit den Verbänden dieses Wahlrecht als kontraproduktiv erachtet hat, um die Standardisierung des Ad-hoc-Ladens voranzutreiben, soll nun die Auswahl auf eine Möglichkeit begrenzt werden.
Künftig muss der Betreiber eines öffentlich zugänglichen Ladepunkts an dem jeweiligen Ladepunkt oder in dessen unmittelbarer Nähe mindestens einen kontaktlosen Zahlungsvorgang in Form gängiger Debit- und Kreditkartenbezahlsysteme anbieten. Zu den gängigen Kreditkartensystemen zählen insbesondere Mastercard und VISA. Gängiges Debitkartensystem in Deutschland ist ausweislich der Verordnungsbegründung und Auffassung des BMWK die girocard, da jeder Inhaber eines Girokontos in der Regel über mindestens eine solche Karte verfügt.
Bei dieser Vorgabe handelt es sich um eine Mindestanforderung. Dem Betreiber steht es insofern frei, zusätzlich weitere Zahlungsmöglichkeiten anzubieten (z.B. webbasiertes Bezahlen).
Die Neuregelung bedingt, dass an Ladesäulen künftig ein PIN-Pad für die Eingabe der PIN im Rahmen der Kartenzahlung verbaut werden muss. Die PIN-Eingabe ist wegen der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2015/2366 („Payment Service Directive II“) erforderlich. Dadurch müssen die betroffenen Ladesäulenmodelle baulich angepasst und erneut mess- und eichrechtlich zertifiziert werden.
Bei Ladepunkten, die ab dem 01.03.2022 in Betrieb genommen werden, muss eine standardisierte Datenschnittstelle vorhanden sein, mithilfe derer Autorisierungs- und Abrechnungsdaten sowie dynamische Daten übermittelt werden können. Zu den dynamischen Daten zählen insbesondere die Betriebsbereitschaft und der Belegungsstatus des Ladepunktes, also die technische und elektrische Verfügbarkeit. Mithilfe dieser Daten soll es für Kunden künftig einfacher werden, eine freie Ladesäule in der Umgebung zu finden.
Die Daten können insbesondere von sog. eRoaming-Plattformen genutzt werden, also Vernetzungsplattformen zur Verbindung von mehreren Ladepunktbetreibern und Mobilitätsanbietern. Die Vorgaben zur Datenschnittstelle sollen die Transparenz des Ladevorgangs erhöhen, das Laden für die Nutzerinnen und Nutzer vereinfachen und es ermöglichen, digitale Dienste rund um das Laden anzubieten. Eine Nachrüstpflicht für bestehende Ladepunkte (Inbetriebnahme vor dem 01.03.2022) hinsichtlich der o.g. Anforderungen schließt die LSV ausdrücklich aus.
Zukünftig muss beim Aufbau von Ladepunkten sichergestellt werden, dass „energiewirtschaftlich relevante“ Mess- und Steuerungsvorgänge über ein Smart-Meter-Gateway abgewickelt werden können, das den Anforderungen des Energiewirtschaftsgesetzes („EnWG“) und des Messstellenbetriebsgesetzes („MsbG“) entspricht. Nach der Verordnungsbegründung sind energiewirtschaftlich relevant nur diejenigen Mess- und Steuerungsvorgänge, die im Sinne des einschlägigen energiewirtschaftlichen Fachrechts zum Zweck der Netz- und Marktintegration der Ladepunkte bilanzierungs-, abrechnungs- oder netzrelevant sind. Eine Netzrelevanz wäre beispielweise gegeben, wenn die Ladeinfrastruktur netzdienlich durch den Netzbetreiber gesteuert werden kann. Eine netzdienliche Steuerung ist nach § 14a EnWG auch grundsätzlich angedacht. Dies bedeutet allerdings ausdrücklich nicht, dass jeder Ladepunkt an ein Smart-Meter-Gateway angeschlossen oder ein solches im Ladepunkt verbaut sein muss. Es kann z.B. reichen, wenn der Einbau am Netzanschlusspunkt erfolgt. Die Ausstattung mit Smart-Meter-Gateways richtet sich daher im Wesentlichen nach dem Messstellenbetriebsgesetz und den dort in § 31 MsbG geregelten Pflicht- und optionalen Einbaufällen.
Bislang mussten Ladepunkte mindestens vier Wochen vor dem geplanten Beginn des Aufbaus bei der BNetzA angezeigt werden. Die Praxis hat aber gezeigt, dass der Zeitpunkt des Aufbaus und insbesondere der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Ladeinfrastruktur von vielen Faktoren abhängig ist und mehrere Wochen im Voraus häufig noch nicht exakt bestimmt werden kann. Künftig besteht diese Anzeigepflicht daher erst (spätestens) zwei Wochen nach Inbetriebnahme des Ladepunktes.
Die BNetzA kann nunmehr auch die LSV-konforme Nachrüstung eines Ladepunktes verlangen, statt – wie bisher – nur den Betrieb zu untersagen, sofern die technischen Anforderungen sowie jene für das Bezahlverfahren nicht erfüllt werden.
Die LSV erfasst nunmehr entsprechend der Richtlinie zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (RL 2014/94/EU – „AFID-Richtlinie“) alle Fahrzeugklassen, da Nutzfahrzeuge in den Anwendungsbereich aufgenommen worden sind.
Die BNetzA hat zudem bereits am 21.12.2020 in einem Festlegungsverfahren zur Weiterentwicklung der Netzzugangsbedingungen Strom (BK6-20-160) neue Vorgaben zur Marktkommunikation veröffentlicht. Hierzu gehören auch die Netzzugangsregeln zur Ermöglichung einer ladevorgangsscharfen bilanziellen Energiemengenzuordnung für Elektromobilität („NZR-EMob“).
Seit dem 01.06.2021 sind Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen verpflichtet, auf Verlangen eines Betreibers von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge einen Netzzugang zur Ermöglichung einer ladevorgangscharfen bilanziellen Energiemengenzuordnung nach Maßgabe der Anlage 6 BNetzA-Festlegung zu gewähren.
Bilanziell sind Ladesäulen bisher Letztverbraucher-Entnahmestellen und somit einem festen Bilanzkreis zugeordnet. Ein Ladepunkt kann daher bilanziell nur von einem Stromlieferanten beliefert werden. Dies verhindert beispielsweise die bilanzielle „Mitnahme“ des eigenen Stromlieferanten durch den Ladekunden.
Die NZR-EMob soll dagegen eine ladevorgangsscharfe bilanzielle Zuordnung des Ladestroms ermöglichen und dieses Problem künftig beheben. Mit der NZR-EMob wird ein Ladepunkt zu einer bilanziellen Übergabestelle. Hierzu kann der Ladepunktbetreiber vom zuständigen Übertragungsnetzbetreiber und Bilanzkreiskoordinator verlangen, dass dieser ihm ein regelzonenweites Bilanzierungsgebiet einrichtet. Der Ladepunktbetreiber übernimmt hierdurch die Verantwortlichkeiten für ein „virtuelles“ Bilanzierungsgebiet und muss im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung Energiemengen auf Summenzeitreihen bereitstellen. Er wird damit bilanziell behandelt wie ein nachgelagerter Netzbetreiber eines virtuellen Ladepunktnetzes. Damit könnten zukünftig Ladepunktbetreiber jedem Lieferanten die Möglichkeit bieten, ihre Kunden mit Ladestrom an dem jeweiligen Ladepunkt zu versorgen.
Für einen solchen Vertrag zwischen Ladepunktbetreiber und Anschlussnetzbetreiber existiert allerdings noch kein einheitlicher Vertragsstandard. Ein solcher musste von den Netzbetreibern bis Ende 2021 erarbeitet und der BNetzA vorgelegt werden; bisher ist jedoch noch keine Veröffentlichung erfolgt.
Die wesentlichen Änderungen der LSV sind am 01.01.2022 in Kraft getreten.
Die Erfordernisse zur Ausstattung der Ladesäulen mit PIN-Pads zum Bezahlen führen zu Mehrkosten. Es ist zudem nach wie vor umstritten, ob nicht außerdem eine Verpflichtung sinnvoll gewesen wäre, um die Interoperabilität mit den multiplen Roaming-Systemen zu ermöglichen. Denn in der Praxis könnten Ladesäulen allein mit Vorrichtungen zum Ad-hoc-Laden ausgerüstet sein und somit eine „Abschottung“ der Ladesäulen von Drittanbietern ermöglichen. Der „Drittzugang“ zu der Ladesäule würde somit erheblich erschwert.
Zu begrüßen ist allerdings die praxisnahe Ausgestaltung der Definition der öffentlichen Zugänglichkeit, welche nun die erforderliche Klarheit schafft. Der Einsatz von Smart-Meter-Gateways und der Aufbau einer zentralen, einheitlichen Backendinfrastruktur schaffen außerdem die Voraussetzung dafür, die Elektromobilität auch langfristig in die Netzsteuerung zu integrieren.
Es ist bereits jetzt absehbar, dass es in Zukunft weitere Änderungen der Ladesäulenverordnung geben wird. Die Europäische Kommission hat am 14.07.2021 im Rahmen des „Fit for 55“ - Pakets einen Vorschlag für die Revision der AFID-Richtlinie (COM(2021) 559 final) vorgelegt, der gewichtige Änderungen gegenüber der bestehenden Richtlinie enthält. Wichtigster Punkt des Änderungsvorschlags ist, dass die EU-Kommission erwägt, die AFID-Richtlinie künftig als Verordnung zu erlassen. Diese Änderung hätte weitreichende Konsequenzen, da eine europäische Verordnung ihre Wirkung unmittelbar gegenüber den Mitgliedstaaten entfaltet und es mithin keines Umsetzungsaktes in Form einer nationalen gesetzlichen Regelung bedarf. Der europäische Gesetzgeber will das Risiko von Unstimmigkeiten und Verzögerungen vermeiden und gleichzeitig einen verbindlichen und einheitlichen Rechtsrahmen für die Mitgliedsstaaten festlegen. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der AFID-Richtlinie wird derzeit noch im Rat der Europäischen Union in erster Lesung erörtert.
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