Monopolkommission greift Fragen zu Minderheitsbeteiligungen institutioneller und strategischer Anleger im Hauptgutachten vom 20. September 2016 auf
Eine Frage, die jüngst in der Kartellrechtsgemeinde – und darüber hinaus – Bedeutung erlangte, ist, ob sog. indirekte Horizontalverflechtungen („Common Ownership“) negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben können. „Common Ownership“ beschreibt die Situation, dass große institutionelle Anleger (z.B. Investmentfonds, Staatsfonds, Pensionsfonds usw.) erhebliche Minderheitsbeteiligungen an einer Reihe von Unternehmen halten, die derselben Branche angehören und miteinander in Wettbewerb stehen.
Die negativen Wirkungen, die in zwei kürzlich veröffentlichten Studien beschrieben wurden, können Auswirkungen darauf haben, wie Kartellbehörden Minderheitsbeteiligungen institutioneller und strategischer Anleger bewerten. Dies ist von Bedeutung für institutionelle Anleger, die ihr Portfolio strukturieren, für strategische Investoren, deren Investmentstrategie auf einen bestimmten Sektor abzielt, und auch für Unternehmen, die sich bemühen, gerade institutionelle oder strategische Anleger zu gewinnen. Die Bedeutung, die dieser Fragestellung beigemessen wird, zeigt sich daran, dass die Monopolkommission sich hiermit in der jüngsten Ausgabe ihres alle zwei Jahre erscheinenden Hauptgutachtens vom 20. September 2016 auseinandersetzt. Es ist zu erwarten, dass Kartellbehörden weltweit solche Beteiligungen künftig genau untersuchen werden, entweder auf der Grundlage bestehender gesetzlicher Regelungen, oder sogar auf der Grundlage neuer oder ergänzter Vorschriften.
Die derzeitige Diskussion wurde durch zwei kürzlich veröffentliche ökonomische Studien ausgelöst. Die Studien belegten, dass empirische Anhaltspunkte bestehen, dass – zumindest in konzentrierten Märkten – der Wettbewerb geschwächt ist und Verbraucherpreise erhöht sind, wenn ein erheblicher Grad von „Common Ownership“ besteht. Beispiel (die Studien untersuchten den Airline- und den Bankensektor in den USA): Von den sieben größten Aktionären von United Airlines, die insgesamt 60% der Anteile halten, waren fünf auch unter den zehn größten Aktionären von Southwest und von Delta Airlines. Es wurde festgestellt, dass die Ticketpreise aufgrund des „Common Ownership“ 3-11% höher waren, verglichen mit den Preisen, die ohne „Common Ownership“ zu erwarten gewesen wären. Das Interesse, das die Studien ausgelöst haben, hat mit der Tatsache zu tun, dass „Common Ownership“ in den letzten Jahren zugenommen hat – Investmentfonds verwalten heute viele Milliarden Euro.
Besteht kein „Common Ownership“, machen sich Unternehmen gegenseitig Wettbewerb, um auf Kosten ihrer Wettbewerber Marktanteile hinzuzugewinnen. Hält ein Investor Anteile in der gleichen Größenordnung an mehreren Unternehmen, die im gleichen Markt tätig sind, werden die Vorteile, die dem Investor zufließen, wenn das eine Unternehmen seinen Marktanteil und Gewinn erhöht, aufgehoben durch die Nachteile, die dem Investor aufgrund des Marktanteils- und Gewinnrückgangs des anderen Unternehmens entstehen. Große institutionelle Anleger, die in mehrere Unternehmen eines Wirtschaftszweigs investieren, sind daher eher an der Performance des Wirtschaftszweigs insgesamt interessiert (die Auswirkungen auf ihr Gesamtportfolio hat), als an der Performance einzelner Unternehmen und dem Wettbewerb zwischen diesen einzelnen Unternehmen. Nach den Ergebnissen der Studien kann die Existenz von „Common Ownership“ Einfluss auf das Marktverhalten von Unternehmen haben – sei es, dass Investoren direkt in Kontakt mit dem Management treten, um Ihre Sicht der Dinge darzulegen, sei es, dass das Management aus eigener Initiative sein Verhalten präemptiv an den Interessen der Investoren ausrichtet.
Die beschriebenen ökonomischen Studien haben bei den Kartellbehörden in den USA einige Aufmerksamkeit erregt; das Department of Justice hat bestätigt, dass es die Frage des „Common Ownership“ und seiner Auswirkungen auf den Wettbewerb in mehreren Wirtschaftszweigen untersucht.
In der EU wird das Kartellrecht sowohl von der Europäischen Kommission als auch von den Kartellbehörden der Mitgliedstaaten durchgesetzt.
Die Kommission besitzt (noch) keine Zuständigkeit, die es ihr erlauben würde, den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen auf der Basis der Fusionskontrollvorschriften zu untersuchen (während in Deutschland, Österreich und Großbritannien die Fusionskontrollregeln insoweit Anwendung finden). In der jüngeren Vergangenheit wurde diskutiert, ob die fusionskontrollrechtliche Zuständigkeit der Europäischen Kommission erweitert werden sollte, um auch den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen zu erfassen. Als dahingehende Vorschläge der Kommission 2013 bzw. 2014 veröffentlicht wurden, trafen diese auf erheblichen Widerspruch. Äußerungen der Wettbewerbskommissarin aus jüngerer Zeit deuten aber darauf hin, dass die Kommission Änderungen der EU-Fusionskontrollregeln als unverhältnismäßig ansieht, die „direkte“ Minderheitsbeteiligungen zwischen Unternehmen, die sich horizontal im Wettbewerb oder vertikal auf einander vor- oder nachgelagerten Märkten gegenüberstehen, der Fusionskontrolle unterstellen.
In der bisherigen Debatte spielte die Frage des „Common Ownership“ keine prominente Rolle. Die Mechanismen, die nunmehr auf der Basis empirischer Studien beschrieben wurden, könnten die Diskussion allerdings von neuem befeuern. Diesmal allerdings mit dem Fokus auf der Frage, ob die Notwendigkeit besteht, indirekten Verbindungen zwischen Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen oder auf einander vor- und nahgelagerten Märkten tätig sind, und die miteinander verbunden sind durch institutionelle oder strategische Investoren die Minderheitsbeteiligungen an diesen Unternehmen halten, größere Aufmerksamkeit zu widmen. Aber auch ohne Änderungen der anwendbaren Regelungen könnte die Europäische Kommission versuchen, sich – wenn sie hier Anlass zu wettbewerblichen Bedenken sieht – auf der Basis der allgemeinen Kartellrechtsvorschriften der Art. 101 und Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit „Common Ownership“ zu befassen.
In Deutschland ist der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen schon lange Gegenstand der Fusionskontrollprüfung durch das Bundeskartellamt. Zusammenschlüsse müssen unter anderem dann angemeldet werden, wenn sie dem Erwerber eine Position des „wettbewerblich erheblichen Einflusses“ auf das Zielunternehmen vermitteln. Ein solcher Einfluss wird angenommen, wenn ein (kleiner) Anteil erworben wird und weitere „Plus-Faktoren“ gegeben sind (z.B. Vorstandsmitgliedschaft, besondere Informationsrechte). Die Vorschrift war eingeführt worden, um Situationen zu erfassen, in denen das Beziehungsgeflecht zwischen den Unternehmen dazu führt, dass der Wettbewerb zwischen ihnen so erheblich eingeschränkt ist, dass sie am Markt nicht mehr unabhängig voneinander auftreten. Die diesen Vorschriften zugrundeliegenden Bedenken können nunmehr durch die oben beschriebenen Studien bestätigt worden sein, zumindest in Hinblick auf konzentrierte Märkte.
In der Vergangenheit lag der Fokus des Bundeskartellamts eher auf dem Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern, statt auf dem Erwerb von Minderheitsbeteiligungen durch institutionelle oder strategische Anleger. Allerdings sind die Ergebnisse der oben beschriebenen Studien auch in Deutschland wahrgenommen worden. Die Monopolkommission (ein unabhängiges Expertengremium, dessen Mitglieder von der Bundesregierung nominiert und vom Bundespräsidenten ernannt werden und die regelmäßige Hauptgutachten sowie Sondergutachten zu spezifischen Fragen des Kartellrechts veröffentlichen) hat die Frage des „Common Ownership“ im jüngsten ihrer alle zwei Jahre erscheinenden Hauptgutachten, dass am 20. September 2016 veröffentlicht wurde, diskutiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Monopolkommission davon abgesehen, direkte wirtschaftspolitische Empfehlungen auszusprechen. Sie merkte allerdings an, dass eine Berücksichtigung dieser Fragestellung bei künftigen Fortentwicklungen der EU-Fusionskontrolle zu begrüßen wäre. Die Monopolkommission stellte auch klar, dass die beschriebenen Probleme nicht nur in Hinblick auf institutionelle Anleger bestehen, die bisher im Fokus der Diskussion standen, sondern auch in Hinblick auf andere diversifizierte Anleger, die Minderheitsbeteiligungen an einer Reihe anderer Unternehmen halten.
Insgesamt ist zu erwarten, dass Kartellbehörden weltweit die Auswirkungen von „Common Ownership“ auf den Wettbewerb genau beobachten werden. Sie könnten bestehende Regeln enger auslegen, und einen stärker interventionistisch geprägten Ansatz verfolgen, wenn sie zu dem Schluss gelangen, dass negative Auswirkungen auf den Wettbewerb gegeben sind, oder zumindest ein erhebliches Potential für solche Auswirkungen besteht. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die nunmehr ausgelöste Debatte sogar Einfluss auf zukünftige Reformen der EU-Fusionskontrollregeln haben wird, oder auf Reformen in Jurisdiktionen, in denen der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen bisher nicht in den Anwendungsbereich der Fusionskontrolle fällt. Diese Entwicklungen können entscheidende Bedeutung gewinnen für institutionelle Anleger, für strategische Anleger, und auch für Unternehmen, die gezielt institutionelle oder strategische Anleger anwerben wollen.
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