Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen, Umsetzungsbedarf und Ausblick auf die Änderungen im deutschen Recht
In der Vergangenheit wurde von gesetzgeberischer Seite dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil, wie sie beispielsweise Patente oder Marken erfahren haben. Dabei muss diesen Geheimnissen wie z.B. der Zusammensetzung von Produkten, Herstellungsverfahren, Offerten, Konditionen, technische Spezifikationen, geplanten Unternehmenserwerbstatbeständen, Algorithmen, Verschlüsselungen oder Abläufen in Geschäftsbetrieben (die Beispielliste könnte nahezu endlos fortgeführt werden) ein weitreichender Schutz eingeräumt werden: Solches Wissen mag zum einen nicht als Patent, Marke, Design oder durch Urheberrechte zu schützen sein. Zum anderen mag es Konstellationen geben, in denen der Inhaber solchen Wissens bewusst auf einen Schutz z.B. als Patent verzichtet, weil dieser auch die Veröffentlichung beinhalten würde. Gleichwohl wird auch in solchen Fällen ein wirtschaftliches Interesse des Inhabers dieser Geheimnisse vorliegen, das einen Schutz der Geheimnisse für ihn notwendig macht.
Dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse bisher, zumindest teilweise, eher vernachlässigt wurden, mag zum einen daran liegen, dass die Rechtslage in Deutschland als nicht grundsätzlich unbefriedigend wahrgenommen wurde. Zwar war die Gestaltung maßgeblicher Vorschriften als Strafnormen ungewöhnlich und der Schutz des Geheimnisses in Verfahren schwierig zu gewährleisten. Doch wurde die Definition des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses (die Praxis unterschied nicht zwischen den Begriffen) als hinreichend weit angesehen, um notwendigen Schutz zu gewährleisten.
Für ein in Zukunft ausreichendes und vergleichbares Rechtsschutzniveau innerhalb des Binnenmarktes, und um eine rechtswidrige Aneignung von Geschäftsgeheimnissen zu vermeiden, soll die EU-Richtlinie 2016/943, die so genannte EU-Geschäftsgeheimnis-Richtlinie oder Know-How-Richtlinie sorgen. Obwohl bereits Art. 39 Absatz 2 TRIPS-Abkommen seit 1995 in Kraft ist und für einen Mindeststandard beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen sorgt, bestehen zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten der EU untereinander noch erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb, Nutzung oder Offenlegung durch Dritte. Des Weiteren gibt es keine einheitliche Lösung für den Umgang mit Produkten, die aus unrechtmäßiger Nutzung von Geschäftsgeheimnissen resultieren.
Die bisher übliche Praxis im Umgang mit Geschäftsgeheimnissen der Mitgliedstaaten soll durch die neue Richtlinie harmonisiert werden: Es gibt eindeutige Definitionen für Begriffe wie „Geschäftsgeheimnis“, „Träger eines Geschäftsgeheimnisses“, „Rechtsverletzer“ und „rechtsverletzende Produkte“. Zudem sollen für alle Mitgliedsstaaten einheitliche Schutz- und Entschädigungsvorschriften eingeführt werden. Dadurch sollen insbesondere Anreize für eine grenzüberschreitende Innovationstätigkeit gesetzt und eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der Geheimnisinhaber reduziert werden. Hingegen bleibt den Wettbewerbern die Möglichkeit erhalten, die geschützten Geschäftsgeheimnisse durch eigene Entdeckungen oder im Rahmen des Reverse Engineering selbst herauszufinden. Ein Schutz des Geheimnisses in gerichtlichen Verfahren soll gewährt werden.
Neu ist ebenfalls, dass – vorausgesetzt der Schutz der Geschäftsgeheimnisse wird dabei gewahrt – in Zukunft in diesem Zusammenhang bedeutende Urteile veröffentlicht werden sollen, die grundsätzlich eine abschreckende Wirkung haben.
Im ersten Kapitel (Art. 1 - Art. 2) wird zuerst der Gegenstand der Richtlinie beschrieben, gefolgt von den nun einheitlich definierten Begriffen „Geschäftsgeheimnis“, „Träger eines Geschäftsgeheimnisses“, „Rechtsverletzer“ und „rechtsverletzende Produkte“. Die wichtigste Definition stellt dabei das „Geschäftsgeheimnis“ dar, welches aus drei Komponenten besteht: (1) Es muss sich um eine vertrauliche Information handeln, (2) diese Information sollte aufgrund ihrer Vertraulichkeit auch kommerziell wertvoll sein und (3) müssen seitens des Inhabers angemessene Anstrengungen zur Geheimhaltung erfolgen. Was angemessen ist, richtet sich nach einer Einzelfallbetrachtung. Die Definition des „Geschäftsgeheimnisses“ orientiert sich insoweit an der Definition für „nicht offenbarte Information“ aus dem TRIPS-Abkommen.
Das zweite Kapitel (Art. 3 - Art. 4) legt Normen fest, die bestimmen, nach welcher Sachlage der Erwerb, die Nutzung und die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses rechtswidrig sind und unter welchen Umständen die Inhaber von Geschäftsgeheimnissen berechtigt sind, entsprechende Maßnahmen und Rechtsbehelfe auf Grundlage der Richtlinie zu ersuchen. Für die Annahme einer Rechtswidrigkeit ist die fehlende Zustimmung durch den Geheimnisinhaber entscheidend. Der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses durch einen Dritten, obwohl es nicht rechtmäßig erworben oder offengelegt wurde, sind dann rechtswidrig, wenn der Dritte dies hätte wissen oder erkennen können.
Im dritten Kapitel (Art. 5 - Art. 14) werden Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe bestimmt, die Geheimnisinhabern im Falle eines rechtwidrigen Erwerbs oder einer rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses durch einen Dritten zur Verfügung stehen sollen. Beispielsweise enthält Art. 11 der Know-How-Richtlinie ein Verbot für die Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses, ein Verbot der Herstellung, des Anbietens, der Vermarktung oder Nutzung rechtsverletzender Produkte (bzw. der Einfuhr oder Lagerung der Produkte für die aufgezählten Zwecke) sowie Abhilfemaßnahmen. Art. 13 der Know-How-Richtlinie hingegen gewährt dem Geschädigten Schadensersatz zum Ausgleich des durch eine rechtswidrige Nutzung des Geheimnisses entstandenen Schadens. Dabei werden alle relevanten Faktoren berücksichtigt, inklusive des vom Beklagten erzielten unlauteren Gewinns. Eine Möglichkeit für eine Schadensberechnung basiert beispielsweise auf Zugrundelegung einer hypothetischen Lizenzgebühr, ähnlich derer, wie sie im Falle von Rechtsverletzungen des geistigen Eigentums vorgesehen sind.
Des Weiteren schreibt die Richtlinie den Justizbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten vor, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen zu wahren, die im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten vor Gericht offengelegt werden. Es werden zwar keine konkreten Maßnahmen aufgezählt, es müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. So muss eine vollständige oder teilweise Beschränkung des Zugangs zu den von den Parteien oder Dritten vorgelegten Dokumenten erfolgen, genauso wie eine Beschränkung des Zugangs zu den Anhörungen und zu Aufzeichnungen über die Anhörung. Darüber hinaus kann eine Anordnung erfolgen, dass die Parteien bzw. Dritte eine nicht vertrauliche Fassung der Dokumente, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, erstellen sollen. Die Vertraulichkeitsmaßnahmen müssen zumindest während des Rechtsstreits gelten, für den Fall einer Beantragung auf öffentlichen Zugang zu den Dokumenten müssen die Maßnahmen auch noch nach Beendigung des Rechtsstreits gelten, vorausgesetzt, es handelt sich bei den fraglichen Informationen nach wie vor um Geschäftsgeheimnisse.
Zum Abschluss sieht Kapitel 4 (Art. 15 - Art. 20) die Verhängung von Sanktionen für den Fall einer Nichtbeachtung der in Kapitel 3 aufgelisteten Maßnahmen vor und enthält darüber hinaus Vorschriften für eine Überwachung und Berichterstattung. Dadurch soll eine wirksame Anwendung der Richtlinie sowie die Verwirklichung der angestrebten Ziele gewährleistet werden.
Strafrechtliche Sanktionen werden nicht erwähnt und wurden bewusst vom Harmonisierungsprozess ausgenommen.
Ein Abgleich der aktuellen deutschen Rechtslage und des mit der Richtlinie vorgegebenen Minimalprogramms macht offenbar, dass auch hierzulande erheblicher Umsetzungsbedarf besteht.
So muss etwa die bisher in Deutschland fehlende gesetzliche Begriffsdefinition von „Geschäftsgeheimnis“ eingeführt werden. Dabei ist der Begriff des Geschäftsgeheimnisses aus der Richtlinie enger gefasst, als ihn die deutsche Rechtsprechung bisher verstand. Das Vorliegen eines „Geschäftsgeheimnisses“ setzt nämlich einen kommerziellen Wert voraus. Damit sollen belanglose Informationen ausgeschlossen werden, auch wenn sie geheimgehalten wurden und daher bislang unter den Geheimnisschutz fielen. Das bisherige in Deutschland herrschende Verständnis dürfte kaum aufrechtzuerhalten sein, obwohl die Richtlinie einen weitergehenden Schutz nach nationalem Recht an sich nicht verbietet. Andererseits soll ein weitergehender Schutz nur möglich sein, wenn dies nicht den Interessen anderer Parteien oder dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft.
Der wichtigste Unterschied zur aktuellen Rechtslage ist die nach der Richtlinie erforderliche Sicherstellung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen seitens des Geheimnisträgers und – in praktischer Hinsicht sehr relevant - deren Dokumentierung in einer Weise, die gerichtsverwertbare Beweise für den Geheimnischarakter liefert. Von der Rechtsprechung wurde bisher nur ein erkennbarer subjektiver Geheimhaltungswille vorausgesetzt, der sich in objektiven Umständen manifestiert. Darüber hinaus waren bisher für eine Anerkennung des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Insoweit führte das zu einer Vermutung des Geheimhaltungswillens und dazu, dass derjenige den fehlenden Geheimhaltungswillen nachweisen muss, der das Geheimnis verletzt. Aufgrund der Tatsache, dass die Richtlinie im Vergleich zur deutschen Rechtsprechung nun einen etwas engeren Begriff des Geschäftsgeheimnisses enthält, muss damit gerechnet werden, dass sich in Zukunft auch die Rechtsprechung dahingehend ändert und das deutsche Recht im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung strenger aufgefasst wird.
In der Zukunft ist es daher für Unternehmen von besonderer Bedeutung, die Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse wirklich ernst zu nehmen und – je nach Relevanz des Geheimnisses für den eigenen Geschäftsbetrieb – angemessene Schutzvorkehrungen zu treffen. Andernfalls könnte es künftig schwieriger werden, seine Ansprüche vor den deutschen Gerichten erfolgreich durchzusetzen.
Die Richtlinie stellt eine weitere Neuerung her, indem sie in Art. 3 und Art. 4 den rechtmäßigen Erwerb, die rechtmäßige Nutzung und Offenlegung vom rechtswidrigen Erwerb, der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses abgrenzt. Als eine Spielart des rechtmäßigen Erwerbs wird dabei ausdrücklich das sogenannte Reverse Engineering bezeichnet, sofern dies an einem Gegenstand geschieht, der öffentlich verfügbar oder im rechtmäßigen Besitz des Erwerbers ist und dieser keiner vertraglichen Beschränkung zur Nutzbarmachung des Geheimnisses unterliegt. Die Rechtmäßigkeit des Reverse Engineering war im deutschen Recht sehr umstritten, überwiegend wurde sie abgelehnt.
Der rechtmäßige Erwerb wird vom rechtswidrigen nur generalklauselartig unterschieden, nämlich als das, was unter den gegebenen Umständen mit einer seriösen Geschäftspraxis vereinbar oder nicht vereinbar ist. Diese Klauseln werden von den nationalen Gerichten ausgefüllt und konkretisiert werden müssen, wobei die deutsche Rechtsprechung die bisher in § 17 Abs. 1 und 2 UWG vertypten tatbestandsmäßigen Handlungen als gesetzlich normierte Beispiele für einen rechtswidrigen Erwerb heranziehen dürfte.
Als ein weiteres Ziel will die Richtlinie den Interessenausgleich zwischen Geheimnisinhaber und Dritten, z.B. Wettbewerbern, fördern. Deshalb erfährt das Geschäftsgeheimnis auch nicht den Schutz eines absoluten Rechtes, wie er anderen gewerblichen Schutzrechten zukommt. Es soll praktisch eine Interessenabwägung erfolgen, bei der auch öffentliche Belange zu berücksichtigen sind. So wird in Art. 5 die Offenlegung des Geheimnisses im Rahmen der freien Meinungsäußerung für rechtmäßig erklärt.
Am 18. Juli 2018 hat die Bundesregierung den Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ (hiernach „Gesetzesentwurf“) beschlossen. Der Gesetzesentwurf basiert im Wesentlichen auf dem im April 2018 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlichten ersten Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht (hiernach „Referentenentwurf“). Gegenstand des Gesetzesentwurfs ist neben Änderungen am UWG, der StPO und dem GKG vor allem die Einführung eines neuen „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ (hiernach „GeschGehG“).
Der Vergleich des Entwurfs des GeschGehG mit der Richtlinie zeigt, dass – zumindest nach dem als noch nicht endgültig zu betrachtenden Gesetzesentwurf – sich die deutsche Umsetzung eng an die Richtlinie hält. Auch wenn das GeschGehG die Gliederung und Formulierung der einzelnen Regelungen der Richtlinie teilweise großzügig umstrukturiert und umformuliert, finden sich darin nur wenige Inhalte, die nicht unmittelbar der Richtlinie entspringen oder eine zwingende Konsequenz ihrer Umsetzung sind.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, den Geschäftsgeheimnisschutz vollständig aus dem UWG herauszulösen, wo dieser bislang ohnehin nur unvollständig in Form von Strafvorschriften geregelt ist. Die §§ 17-19 UWG werden restlos gestrichen (Artikel 5 des Gesetzesentwurfs). Die dem Gesetzesentwurf beigefügte Begründung sowie einzelne im Gesetzesentwurf enthaltene Formulierungen lassen aber keine Zweifel daran, dass der Geschäftsgeheimnisschutz weiterhin als ein Teilgebiet des Lauterkeitsrechts verstanden wird. Als typische Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG wird der Geschäftsgeheimnisschutz auch weiterhin mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts durchgesetzt werden können.
Die Nähe zum Lauterkeitsrecht zeigt auch die Begründung zur ausschließlichen erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte (§ 15 Abs. 1 GeschGehG). Aufgrund der Ermächtigung in § 15 Abs. 3 GeschGehG an die Landesregierungen, Geschäftsgeheimnisschutzstreitsachen an einem oder mehreren Landgerichten (auch länderübergreifend) zu konzentrieren, ist fest davon auszugehen, dass in Zukunft dieselben Landgerichte (und Kammern) über den Geschäftsgeheimnisschutz zu befinden haben werden, als dies bis dato für UWG-Sachen der Fall ist.
Das ist insofern begrüßenswert, als dass den Gerichten bei der Fortbildung des Rechts und der Auslegung neuer, mit Leben zu füllender Rechtsbegriffe eine wichtige Rolle zukommen wird. Der Gesetzesentwurf definiert nämlich in § 2 Nr.1 GeschGehG das Geschäftsgeheimnis – tatsächlich wie die Richtlinie es vorgibt – als eine Information, die aufgrund ihrer Geheimhaltung einen wirtschaftlichen Wert aufweist und Gegenstand den Umständen nach angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist. Gerade das neue Tatbestandsmerkmal der „den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ erweist sich als besonders einschneidend, da die Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahme von der Brisanz der Information abhängt, und das Fehlen angemessener Maßnahmen der betroffenen Information unmittelbar den Geheimnischarakter entzieht. Mit anderen Worten: Was zu schlecht geschützt ist, ist kein Geheimnis im Sinne des GeschGehG. Was etwa bei besonders wichtigen Informationen eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme ist, weiß zum heutigen Tage niemand. Es wird einige Zeit dauern, bis die Gerichte hier eine Rechtsprechung entwickeln, die für Rechtssicherheit sorgt. Es dürfte zu empfehlen sein, dass die Geheimnisse erfasst und ggf. verkörpert, nach ihrer Bedeutung, sprich ihrem wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen kategorisiert und dann bestimmten Schutzstufen zugeordnet werden. Die auf diese Schutzstufen anzuwenden Schutzmaßnahmen sind dann ebenso zu dokumentieren wie ihre tatsächliche Anwendung in der täglichen Arbeit auf das jeweilige Geheimnis. Dabei werden Schutzmaßnahmen organisatorischer (wer hat Zugang zu welcher Information?), technischer (durch welche technischen Maßnahmen wird der Zugang zu welchen Informationen kontrolliert?) und rechtlicher Art (Bestimmungen in Arbeits-, F&E-, Kooperationsverträgen etc.) zur Anwendung kommen müssen. Dies wäre ein Weg für den Inhaber des Geheimnisses, den Geheimnischarakter der Information nachzuweisen und das Geheimnis durchzusetzen. Dieser Weg ist sicherlich idealtypisch und wird bei modernen Formen innerbetrieblicher Zusammenarbeit insbesondere im Bereich der Forschung deutlich verfeinerte Konzepte erfordern, damit der Geheimnisschutz begründet werden kann.
All dies wird für das eine oder andere Unternehmen einen erheblichen wirtschaftlichen Aufwand bedeuten, auch wenn die Bundesregierung m Abschnitt “Erfüllungsaufwand“ auf S. 2 des Gesetzesentwurfs den Aufwand herunterspielt:
„Ein gewisser Erfüllungsaufwand kann sich daraus ergeben, dass ein Teil der Kleinstunternehmen den Umständen nach angemessene Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen treffen muss, damit ihre Informationen in den Schutzbereich des Gesetzes fallen. Größere und mittlere Betriebe schützen bereits jetzt ihre Geschäftsgeheimnisse, zum Beispiel durch eine Zugangskontrolle oder durch vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen, um zu verhindern, dass die betreffenden Informationen offenkundig werden. Insoweit ist von einem einmaligen Umstellungsaufwand in Höhe von 6 440 000 Euro auszugehen.“
Die Analyse der Bundesregierung, wenn man sie so nennen mag, dürfte nicht ganz der Realität entsprechen, denn die Erfahrung und viele Gerichtsverfahren (nach alter Rechtslage) zeigen, dass selbst größere Unternehmen den Geschäftsgeheimnisschutz bisweilen stiefmütterlich behandeln. Jedenfalls nach diesseitigem Verständnis dürften z.B. gerade Vertraulichkeitsvereinbarungen allein nicht in jedem Fall als ausreichende angemessene Schutzmaßnahme gelten, wenn es sich um ein herausragend wichtiges Geschäftsgeheimnis handelt. Die Bezifferung des erforderlichen Umstellungsaufwands mit lediglich EUR 6.440.000 dürfte – wie so oft in Gesetzesbegründungen – kaum realistisch sein. Um zu diesem Schluss zu kommen, genügt es, sich Zahl der KMU in Deutschland zu vergegenwärtigen, die laut dem Institut für Mittelstandsforschung 2017 bei etwa 3,45 Millionen lag.
Wahrscheinlich ein Rückschritt aus Sicht der Rechteinhaber dürfte die Regelung zur örtlichen Gerichtszuständigkeit sein. So sieht § 15 Abs. 2 GeschGehG für Klagen gegen Gegner mit Sitz in Deutschland einen ausschließlichen Gerichtsstand am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (also dessen Sitz/ Wohnsitz) vor. Selbst wenn die Verletzungshandlung – etwa durch Veröffentlichung eines Geschäftsgeheimnisses im Internet – bundesweit erfolgt, steht dann anders als bisher gem. § 14 Abs. 2 UWG nicht mehr der fliegende Gerichtsstand zur Verfügung.
Für deutsches Recht neu ist der – bereits in der Richtlinie verankerte – Schutz von Whistleblowern, wonach sie nicht rechtswidrig handeln, wenn sie ein Geschäftsgeheimnis maßgeblich in der Absicht offenbaren, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen, vgl. § 5 Nr. 2 GeschGehG. Auch an dieser Stelle kommt auf die Gerichte viel Arbeit zu, bis der Umgang mit diesem Rechtfertigungsgrund sicher beherrscht wird. Zu begrüßen ist, dass hier nicht bereits – wie in einem früheren Stadium angedacht – mit Tatbestandsausschlüssen bzw. negativen Tatbestandsmerkmalen gearbeitet wurde.
Ebenfalls eine Neuerung stellt der Schutz des Geheimnisses im Zivilprozess dar. In Geschäftsgeheimnisstreitsachen kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können. Die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an Geschäftsgeheimnisstreitsachen beteiligt sind oder Zugang zu Dokumenten eines solchen Verfahrens haben, müssen dann als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen vertraulich behandeln und dürfen diese außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen, es sei denn, dass sie von diesen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben. Dies gilt auch nach dem Ende des Verfahrens, sofern es sich um ein Geheimnis gehandelt hat. Mit diesen Regelungen nimmt sich der Gesetzesentwurf einer seit langem geübten Kritik an den Zivilstreitigkeiten hinsichtlich der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen an. Es wird ein Weg aufgezeigt, wie der Inhaber seine Rechte verfolgen und zugleich den Begleitschaden durch Bekanntwerden des Geheimnisses im Prozess verringern kann. Eine entsprechende Regelung enthielt zwar bereits der vorangegangene Referentenentwurf. Allerdings waren die Ordnungsmittel, welche in der Folge einer Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zur Vertraulichkeit verhängt werden konnten (Ordnungsgeld von bis zu EUR 1.000 oder Ordnungshaft bis zu einer Woche) so gering bemessen, dass man an der Wirksamkeit der Regelung zweifeln musste. Die deutliche Kritik an der Höhe des Ordnungsgeldes lag angesichts der Bedeutung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern auch für die Wirtschaft als solche auf der Hand. Von daher hätte es nahegelegen, hier eher mit Ordnungsgeldern bis zu EUR 250.000 und entsprechender Ordnungshaft zu arbeiten, wie sie bereits aus § 890 ZPO für die Erzwingung einer gerichtlich angeordneten Unterlassung oder Duldung bekannt sind. Die Bundesregierung hat sich diese berechtigte Kritik offenbar zumindest teilweise zu Herzen genommen und in § 17 GeschGehG die Höhe des Ordnungsgeldes immerhin auf bis zu EUR 100.000 bzw. die Ordnungshaft auf bis zu sechs Monate angehoben. Es bleibt dabei, dass ein noch großzügigerer Rahmen für die Verhängung von Ordnungsmitteln erlaubt hätte, der Schutzbedürftigkeit der Unternehmen und der Wirtschaft angesichts besonders wertvoller Geschäftsgeheimnisse noch besser Rechnung zu tragen.
Hingegen sieht der Gesetzesentwurf keine Änderungen der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vor, so dass der Gesetzesentwurf die Durchsetzung des Geheimnisschutzes Verletzten im Wege des Strafverfahrens – ein praktisch überaus relevantes Instrument zur Verfolgung von Geheimnisverletzungen und zur Rechtsdurchsetzung –nach derzeitigem Stand nicht beschneidet, solange die Voraussetzungen für den Schutz des Geheimnisses von dem Inhaber geschaffen wurden.
Wann das GeschGehG und die restlichen Änderungen in Kraft treten werden, ist unklar. Dieser Zustand ist bedauernswert, hätte die Richtlinie doch bereits zum 9. Juni 2018 umgesetzt werden müssen. Angesichts des Wahlkampfes vor der Bundestagswahl und der sich anschließenden, bekanntlich sehr langwierigen Regierungsbildung gerat die Umsetzung der Richtlinie zunehmend in den Hintergrund.
Unternehmen sollten in jedem Fall schon jetzt an der Umsetzung des neuen Rechts arbeiten, da eine Umstellung je nach Natur und Aufkommen der Geschäftsgeheimnisse eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Außerdem besteht trotz fehlender Umsetzung der Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland ein Restrisiko, dass die Richtlinie bis zum Inkrafttreten des GeschGehG wenigstens in Teilen unmittelbar Anwendung finden könnte.
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